Alles muss gespeichert werden

2010 hatte das Bundesverfassungsgericht bereits die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Zur Begründung führte es unter anderem an:

Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

(…)

Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

Unter gewissen Bedingungen kann es also verfassungsmäßig sein, dass ein neues Gesetz eine Vorratsdatenspeicherung erlaubt.
Auf die Daten darf dann aber nur für die Aufklärung von besonders schweren Straftaten zugegriffen werden. Was diese sind, kann man in § 100c StPO lesen.
Beispielhaft seine einmal schwerer Raub und Raub mit Todesfolge nach § 250 Abs. 1 oder Abs. 2, § 251, und Mord und Totschlag nach den §§ 211, 212 genannt.

Wenn es zu einem neuen Gesetz kommt, dann muss also, zumindest offiziell, schon so einiges anstellen, damit die Daten überhaupt gegen einen verwendet werden dürfen.
Leipzig hat aber leider gezeigt, dass bei einigen das Ziel alle Mittel zu rechtfertigen scheint. Auch mit einem verfassungsgemäßen Gesetz halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass sich ein solcher Fall wiederholen kann. Darüber hinaus ist die Polizei dafür zuständig, Gesetzesverstöße aus den eignen Reihen zu verfolgen. Wenn Kollegen gegen Kollegen ermitteln, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Objektivität und Neutralität und damit dem Effektiven Schutz eines Geschädigten.

Von dieser Problematik mal abgesehen verwundert es mich immer wieder, wie mantraartig Politiker und Interessengruppen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung fordern und dabei meist Betrüger im Internet und Ähnliches anführen.
Was sagte das Bundesverfassungsgericht noch einmal? Nur bei schweren Straftaten.
Wenn eine Person jetzt eine solche Forderung mit einer offensichtlich nicht schweren Straftat begründet, stellt sich die Frage, ob das Urteil nicht gelesen wurde, oder es einfach ignoriert wird. Bei Fall eins könnte es bedeuten, dass die Person keine Ahnung von der Materie hat, über die sei redet. Bei Fall zwei entsteht der Eindruck, dass der Person die Verfassung nicht besonders am Herzen liegt.
Egal, was es nun ist. Vertrauen kann ich zu solch Personen in keiner Weise aufbauen.

Ein Beispiel für eine solche Forderung war Sigmar Gabriels Äußerung nach der Erschießung Bin Ladens:

Die SPD ist nach wie vor der Überzeugung, dass die Vorratsdatenspeicherung richtig is

Es wird im Zusammenhang mit einem Menschen, der komplett offline war, gefordert, dass man mehr Spionage- und Überwachungsmöglichkeiten braucht, um gegen solche Menschen vorzugehen.

Bei solchen Begründungen stellt sich mir die Frage, ob die Gründe nur vorgeschoben werden, um Forderungen von Interessengruppen im Rahmen der Terrorpanikmache gesellschaftsfähig zu machen und letztendlich auch umzusetzen. Was diese sich so wünschen, konnte man gerade auf Golem.de lesen. Beim Lesen der Wunschliste der Industrie und Rechteinhaber, hat es mich nur geschüttelt.

Abschließend kann man noch sagen, dass man nur hoffen kann, dass die Ideen zur Kontrolle und Überwachung der Bürger nur Ideen bleiben und es genügend Mitglieder im Bundestag und Bundesrat gibt, die entsprechende Vorhaben blockieren und verhindern.
Falls dieses Organ versagen sollte, bleibt zum Glück noch das Verfassungsgericht. Leider vergeht über diesen Weg immer Zeit, so dass Maßnahmen auf Grund eines später für verfassungswidrig erklärten Gesetzes getroffen werden können.

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